
Das Jahr 2021 war ein Aktienjahr. Abermals. Solange die Zinsen weiter auf niedrigem Niveau verharren, werden es Anleger schwer haben, eine renditeträchtige Alternative auszumachen. Mit Geld geflutete Märkte finden in Aktien aufnahmefreudige Auffangbecken. Natürlich gab es auch 2021 immer wieder Rücksetzer. Der eindrucksvollste war sicherlich Ende November, als es an den weltweiten Börsen ordentlich ruckelte. Der deutsche Leitindex Dax verlor gut 5 Prozent, und der Schrecken hatte einen neuen Namen: Omikron. Hatten die Investoren seit dem schwarzen Montag im März 2020 gelernt, mit dem Virus zu leben, so sorgte die neue, sich so schnell ausbreitende Coronavirus-Variante für die Verunsicherung, die Märkte so scheuen.
Corona – so viel ist sicher – wird unser Leben auch 2022 noch maßgeblich beeinflussen. Viele Aktien sind 2021 aber gut gelaufen, und so mancher Rücksetzer im Jahresverlauf war auch das Ergebnis von Gewinnmitnahmen. In der Aktienanlage stellt sich immer die Frage des richtigen Timings für Kauf und Verkauf. So mancher Höhenflug animierte dazu, Gewinne nicht nur im Depot anzusehen, sondern auch tatsächlich zu realisieren. Schwächephasen an den Börsen bieten dann auch attraktive Einstiegsmöglichkeiten.
Ganz losgelöst von den Geschehnissen an den Märkten, hat das Jahr 2021 eine gute Nachricht in Sachen Aktienkultur gebracht: Das Thema Aktienrente hat es in den Koalitionsvertrag der neuen Regierung geschafft. Wie genau dieses Vorhaben am Ende ausgestaltet sein wird, ist noch völlig ungewiss, aber die Tatsache allein ist ein ermutigendes Zeichen. Ein notwendiges dazu: Man muss kein promovierter Statistiker sein, um zu verstehen, dass die früheren Rentenversprechen nichts mehr taugen. Wer heute jung ist, wird sich später nicht auf Generationengerechtigkeit allein berufen können. Zu wenige Arbeitnehmer werden zu viele Rentner finanzieren müssen.
Der Generationenvertrag funktioniert nicht
Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Deswegen ist es so wichtig, dass die Tore des Kapitalmarktes weit geöffnet sind. Ausdrücklich ist nicht nur der Aktienmarkt, sondern tatsächlich der gesamte Kapitalmarkt gemeint. Theodor Weimer, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse, hat es im Interview mit der F.A.Z. so formuliert: „Es geht um die Teilhabe an allen Anlageklassen – beispielsweise auch um Private Equity. Das ist eine noch viel zu elitäre Anlageklasse.“ Genau das trifft den Punkt. In diesen Anlageklassen sind Investoren unterwegs, die finanziell ohnehin gut ausgestattet sind. Mit Private Equity lassen sich derzeit etwa doppelt so hohe Renditen erzielen wie mit Aktien – etwa 15 Prozent. Es muss das Ziel sein, diesen Zugang auch für Privatanleger einfach zu ermöglichen.
Um daran partizipieren zu können, müssen die Deutschen aber auch ihre Angst vor Risiko und ihre Scheu vor dem Markt ablegen. Ermutigend sind die Marktaktivitäten der jungen Erwachsenen. Die neuen Angebote über die Handelsplattformen der Neobroker machen den Aktienhandel nicht sicher vor Verlusten, aber einfacher in der Handhabung. Social Media haben einen erheblichen Anteil daran, dass endlich mehr über Geld geredet wird. Auch in der Familie und im Freundeskreis. Die neue gesellschaftliche Akzeptanz fördert die Aktienkultur in Deutschland, die es so dringend braucht.
Helfen wird dabei, dass das Thema Nachhaltigkeit 2021 weiter Fahrt aufgenommen hat und so eng mit dem Bemühen um ein besseres Klima verbunden ist. Es werden viele Milliarden benötigt, um die gigantische Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität zu schaffen. Dieses Geld kann die Politik nicht allein bereitstellen, private Investoren werden den Großteil der Finanzierung stemmen müssen.
Das eröffnet völlig neue Investitionsmöglichkeiten für Anleger. Entscheidend für die Akzeptanz wird sein, mit wie viel Ehrlichkeit hierbei vorgegangen wird. Das Blaue vom Himmel zu versprechen, gleichzeitig aber Greenwashing zu betreiben würde fatale Folgen haben. Gefordert ist die Finanzbranche: Sie hat die Aufgabe, Kapitalströme zu lenken, und muss gleichzeitig den Mut aufbringen, Kunden ziehen zu lassen, die sich um Nachhaltigkeit nicht scheren.
Gerade die Banken dürfen es sich nicht leisten, Glaubwürdigkeit abermals mit Füßen zu treten. Die Finanzkrise, so lange sie inzwischen auch her ist, wirkt noch immer nach. Die Banken wollen und sollten nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sein. Der Beweis dafür wird auch im Jahr 2022 zu erbringen sein – zum Wohle der Anleger und ihrer Depots.
Kapitalmarkt für alle - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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