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Monday, July 19, 2021

Hochwasser: Wiederaufbau in den Flutgebieten wird Jahre dauern - WELT

Das Wasser der Erft rauschte vergangene Woche durch die Straßen der historischen Altstadt von Bad Münstereifel, riss den Asphalt mit sich weg, unterspülte die Gebäudefundamente der Baudenkmäler und drang in jedes Geschäft, jedes Restaurant, überallhin. Zurück blieb Verwüstung. Der Ortskern ist völlig zerstört – und mit ihm ein Großteil der lokalen Wirtschaft.

Bad Münstereifel war ein Leuchtturmprojekt für die strukturschwache Eifelregion. Erst 2014 hatte sich die Stadt an der Erft neu erfunden. Investoren hatten die Innenstadt als „City Outlet“ mit über 30 Marken-Stores ausgebaut und überregional bekannt gemacht. Wo vor einer Woche noch Markenware von Bugatti bis Wellensteyn auslag, schaufeln die Bewohner nun Schlamm und Trümmer. Ob die Läden überhaupt wieder aufgebaut werden können, ist unklar. Wo Fundamente unterspült wurden, reicht die Trockenbaurenovierung längst nicht aus.

„Auf unbestimmte Zeit geschlossen“, steht auf der Website der City Outlet Bad Münstereifel GmbH. Der Wiederaufbau wird Monate dauern, die Umsatzausfälle sind oft nicht versichert. Auch viele Anlagen der Industriebetriebe im Gewerbegebiet direkt an der Erft sind zerstört. Wie Bad Münstereifel geht es auch anderen Orten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Ihnen droht eine Wirtschaftskatastrophe, deren finanzielle Auswirkungen weit über die eigentlichen Sachschäden durch die Flut hinaus gehen. Die wirtschaftlichen Folgen werden über Jahre nachwirken.

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Denn nicht nur die Betriebe direkt an den Flüssen sind beschädigt, sondern auch die für die regionale Konjunktur so wichtige Infrastruktur: Autobahnen, Strom-, Gas- und Kommunikationsnetze, Bahnstrecken und Bundesstraßen sind allesamt auf Monate hinaus beschädigt. Die Schäden der Verkehrsinfrastruktur wirken negativ auf den Tourismus, eine nicht mehr ausreichend leistungsfähige Energieversorgung behindert auch die Betriebe, die nicht direkt durch Wasserschäden betroffen sind – und die ohnehin durch die Pandemie keine Rücklagen mehr haben. Eine Pleitewelle droht.

Erste Priorität der Versorger vor Ort ist zunächst, die Grundversorgung wiederherzustellen: „Wir prüfen aktuell jede Ortsnetzstation und jede Umspannanlage auf Schäden. Selbst wenn bereits wieder Spannung anliegt - betreiben können wir sie erst, wenn wir uns sicher sein können, dass sie nicht beschädigt wurde“, erklärt Sarah Schaffers vom Netzbetreiber Westenergie. „Da ist es mit Schlamm reinigen und reparieren nicht getan, dafür sind sorgfältige Tests nötig.“

„Vieles ist völlig zerstört“

Bislang erreichen die Techniker aufgrund der Straßenschäden nicht einmal alle Stationen, deswegen fliegt die Firma sie nun mittels Helikopter ein. „Die Versorgungssituation ist regional unterschiedlich. Vieles ist völlig zerstört, ob ausreichend Ersatzmaterial verfügbar ist, prüfen wir noch.“ Zwischenzeitig setzt die Firma auf Notstromaggregate, um vor Ort den Anwohnern wenigstens Haushaltsstrom zu liefern. Doch für Industriebetriebe reicht das nicht – sollten die Umspann-Anlagen länger ausfallen, weil keine Ersatzteile lieferbar sind, dann bringt das Produktionsausfälle mit sich.

Nicht nur die Strom- auch die Kommunikationsnetze sind beschädigt. Die Telekom meldet, dass in ihrem Mobilfunknetz mittlerweile gut die Hälfte aller Mobilfunksender wieder funktionieren, weitere sollen folgen. Vodafone meldet 80 Prozent Verfügbarkeit. Doch wo die Glasfaserkabel zur Anbindung der Türme gerissen sind, fehlt es an Bandbreite. Deswegen setzen die Anbieter nun auf Richtfunkstrecken, um zumindest grundlegende Kommunikation zu ermöglichen.

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Wie beim Stromnetz gilt jedoch: Für Firmen, die auf Breitbandanbindungen angewiesen sind, reicht das nicht. Wann genau sie wieder angebunden werden können, ist unklar. „Im Festnetz ist die Lage noch nicht genau zu beziffern. Die Wasser- und Geröllmassen haben große Schäden an den Glasfaser- und Kupferkabeln verursacht“, schreibt ein Telekom-Sprecher. „In einigen Regionen wird die Wiederherstellung der Infrastruktur mehrere Wochen dauern.“ An der Ahr zieht die Telekom für den Notbetrieb aktuell deswegen oberirdische Glasfaserkabel, baut so ein paralleles Netz auf.

Auch im Straßen- und Tiefbau sind die Aufgaben gewaltig. Die Bilder aus den Katastrophengebieten zeigen riesige Abbruchkanten mitten durch fest ausgebaute Landstraßen. An manchen Stellen sind befestigte Wege völlig verschwunden. Abwasserkanäle wurden weggeschwemmt, riesige Betonelemente liegen offen zutage.

Wichtige Lebensadern in der Region sind abgetrennt

Die Autobahnen 1 und 61 werden voraussichtlich noch auf Monate gesperrt bleiben, teilte die Autobahngesellschaft des Bundes am Montag mit. Aktuell müsse die Autobahn kilometerweit auf Unterspülungen geprüft werden, erst danach könnten überhaupt die Reparaturen beginnen, sagte ein Sprecher der Autobahngesellschaft. Damit sind zwei wichtige Lebensadern in die Region, die Anbindung an die Großstadt Köln, auf unbestimmte Zeit ausgefallen. Das hat Folgen nicht nur für die auf Transporte angewiesenen mittelständischen Betriebe, sondern auch auf den Tourismus. Der dürfte zumindest für die laufende Sommersaison deutlich eingeschränkt sein, denn auch viele Regional-Bahnstrecken sind vorerst nicht befahrbar, meldet die Deutsche Bahn.

Es scheint kaum vorstellbar, dass das Chaos aus zerstörten Asphaltflächen, Betonteilen und Uferbefestigungen in absehbarer Zeit beseitigt werden kann. Dennoch ist man in der Bauindustrie optimistisch. Zunächst gehe es darum, aufzuräumen und Provisorien zu errichten, heißt es beim Zentralverband des Deutschen Bauhandwerks ZDB. „Es ist selbstverständlich, dass die Baufirmen mit Geräten und Maschinen sowie mit Baumaterialien unterstützen, damit schnelle Hilfe geleistet werden kann“, so der Branchenverband.

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Begrenzte Kapazitäten in der ansonsten gut beschäftigten Bauwirtschaft seien kein Hinderungsgrund, sagt ZDB-Sprecherin Ilona Klein: „In einigen Bereichen des Infrastrukturwesens, etwa im Straßenbau, sind durchaus noch Kapazitäten im Bauhandwerk vorhanden“, sagt Klein. Insofern gebe es hier einen Unterschied zum Wohnungsbau, wo sich in manchen Regionen die Baugenehmigungen stapeln. „In Baden-Württemberg beispielsweise gab es im Straßenbau einen Rückgang bei den Aufträgen der öffentlichen Hand“, so die Sprecherin.

Generell sind Bund, Länder und Gemeinden im Zuge wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen während der Corona-Krise vorsichtiger geworden bei der Auftragsvergabe. „Auf der anderen Seite haben die Unternehmen Kapazitäten aufgebaut. Heute hat die Bauwirtschaft rund 200.000 Beschäftigte mehr als vor zehn Jahren.“

Überregional wird nach Unternehmen gesucht

Manche Firmen könnten aber auch einspringen und andere Aufträge zunächst ruhen lassen. „Wir gehen davon aus, dass sich für die wichtigsten Arbeiten, etwa auch beim Wiederherstellen von Netzinfrastruktur – Kanäle, Stromleitungen – binnen kurzer Zeit Unternehmen finden, die kurzfristig Aufträge übernehmen können. Es wird wohl auch einzelne Firmen geben, die mit ihren aktuellen Auftraggebern darüber sprechen werden, vorübergehend in den Krisengebieten einen Einsatz übernehmen zu können“, sagt ZDB-Sprecherin Klein.

Dass allerdings alles innerhalb einiger Monate so wird, wie es einmal war, sei dennoch unwahrscheinlich. „Im ersten Schritt wird es darum gehen, die Grundversorgung wiederherzustellen. Straßen müssen nutzbar gemacht werden.“ Die Bau-Aufgaben könnten sich dann „über Monate, eventuell sogar über Jahre hinziehen“.

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