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Saturday, August 14, 2021

Lieblingsgetränk der Deutschen: Jetzt droht der Kaffee-Preis-Schock - WELT

Auf den Bildschirmen, die von der Decke herunterhängen, sind Zahlen, Linien und Zeitverläufe zu sehen. Der wichtigste Wert steht ganz am Rand: 1,82 Dollar (1,55 Euro) lautet an diesem Vormittag der Preis für ein Pfund (britisches Maß mit 453 Gramm) Rohkaffee der Sorte Arabica auf der Grafik. Etwas weiter unten sind für die kommenden Monate noch höhere Rohkaffeepreise aufgelistet. Arthur Darboven treibt in diesen Tagen kein anderes Thema derart um: Seit Ende Juli erreichen die Preise Höchststände, und der Trend setzt sich nahezu täglich fort. Zuletzt war die Lage am Kaffeemarkt vor drei Jahren so brisant.

„Erst gab es in Brasilien die Dürre, dann den Frost, und nun warten die Kaffeebauern auf die Regenzeit. All das führt zu geringeren Ernten, und das wiederum sorgt für eine hohe Volatilität an den Handelsbörsen“, sagt Darboven. Der 57-Jährige ist geschäftsführender Gesellschafter von Benecke Coffee, einem der zehn größten Kaffeehändler Deutschlands.

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Sein Vater Albert Darboven führt im Alter von 85 Jahren das Familienunternehmen J.J. Darboven mit Marken wie Idee Kaffee. Der Senior und der Sohn haben sich 2008 geschäftlich voneinander getrennt. Vor drei Jahren hat der Versuch der Adoption von Andreas Jacobs durch Albert Darboven das Verhältnis zwischen ihnen nicht gerade befördert. Heute ist der familiäre Kontakt wieder da, im Geschäft gehen beide jedoch weiterhin getrennte Wege.

Größte Dürre seit 91 Jahren

Kein anderes Getränk ist in Deutschland beliebter als Kaffee: 166 Liter trank jeder Deutsche im vergangenen Jahr laut dem Kaffeereport 2021. Und kein anderes Land ist für den Nachschub der grünen Rohkaffeebohnen so wichtig wie Brasilien: Rund 30 Prozent der weltweiten Kaffee-Exporte stammen von brasilianischen Bauern. Doch mitten in der dortigen Winterzeit waren Ende Juli erstmals auch nördliche Regionen und damit der Kaffeeanbau von Frost betroffen. In früheren Jahren war dies nur im Süden, wo es keine Kaffeeplantagen gibt, der Fall.

Quelle: Infografik WELT

In den Wochen davor wiederum wurden die Kaffeepflanzen bereits durch die größte Dürre seit 91 Jahren geschwächt. Die Auswirkungen sind sehr langfristig. Stirbt ein Kaffeebaum ab, dauert es etwa sieben Jahre, bis ein neuer Baum ähnlich viele Bohnen produziert.

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Andere Anbauländer wie Peru oder Kolumbien können dies nicht ausgleichen. Kaffee wächst ohnehin nur in Regionen und Höhenlagen rund um den Äquator. Zwar spielen auch Länder Asiens mittlerweile im Kaffeeanbau eine Rolle. Doch zum Beispiel aus Vietnam stammen eher kleine und in der Qualität kaum vergleichbare Rohkaffeebohnen.

„Spekulanten wollen den hohen Kaffeepreis halten“

Ob die ungewöhnliche Witterung am Ende nun hohe oder niedrige Ernteausfälle zur Folge haben wird, lässt sich erst in der anstehenden Erntesaison genau beziffern. Doch das Preisgeschehen spiegelt die Befürchtungen jetzt schon wider. Bereits seit einem halben Jahr, als der Rohkaffeepreis noch bei 1,20 Dollar gelegen hatte, geht der Trend nach oben. „Mein Eindruck ist, dass Spekulanten den Kaffeemarkt auf dem hohen Preisniveau halten wollen“, sagt Darboven.

Quelle: Infografik WELT

Tatsächlich ist die Menge des an den Börsen gehandelten Kaffees um ein Vielfaches höher als die jährlich geerntete Ware – 172 Millionen Säcke zu je 60 Kilogramm waren dies im Jahr 2020. Globale Fondsgesellschaften investieren dreistellige Millionen-Dollar-Summen im Jahr in Rohkaffee und beeinflussen die Preise, ohne am Ende tatsächlich Kaffeebohnen zu verkaufen.

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Dennoch zeichnen sich auch in der realen Welt des Kaffees Preisveränderungen ab. Erst Mitte Juni hatte Marktführer Tchibo das Pfund Kaffee um 50 Cent bis einen Euro verteuert. Die meisten Konkurrenten zogen nach. Außer Tchibo bestimmt noch Aldi die Kaffeepreise selbst, weil beide Unternehmen sowohl über eigene Röstereien als auch über Ladengeschäfte verfügen.

Der Konkurrent Lidl baut genau aus diesem Grund gerade bei Gelsenkirchen eine eigene große Kaffeerösterei. Kaffeeunternehmen wie Dallmayr haben dagegen wenig Einfluss darauf, ob und in welcher Höhe eine Supermarktkette die Preiserhöhung weitergibt.

„Logistisches Fiasko“

Doch nun dürfte der nächste Preisschritt bevorstehen. „Meine Erwartung ist, dass es nach den Preiserhöhungen vom vergangenen Juni in den kommenden Monaten eine zweite Preisrunde geben wird“, sagt Darboven. Schließlich müssten die Kaffeehändler die hohen Rohkaffeepreise an die Kaffeeröster weitergeben. „Irgendwann müssen dann auch die Röster handeln und die Preise an den Lebensmitteleinzelhandel weiterreichen“, sagt Darboven. Er rechne damit für den Herbst.

Auch der weltgrößte Kaffeekonzern JDP Peet’s äußert sich ähnlich. „Historisch spiegeln sich signifikante Preisveränderungen in den Marktpreisen für Verbraucher wider“, schrieb der Konzern, zu dem die Marke Jacobs Kaffee gehört, unlängst in einer Mitteilung. Das heißt: Wettbewerbsangebote im Kampf der Supermarktketten wie zuletzt von weniger als drei Euro je Pfund Kaffee dürften bald der Vergangenheit angehören.

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Doch zu den absehbar geringeren Mengen an Rohkaffee aus der diesjährigen Ernte kommt noch ein ganz anderes Problem hinzu. Kaffeehändler Darboven spricht von einem „logistischen Fiasko“. Schließlich hat sich wie für nahezu alle Waren auch für Kaffee der Containertransport auf dem Meer um ein Vielfaches verteuert. Der Standardcontainer kostet aktuell das Zehnfache der Frachtrate aus dem Vorjahr.

Zudem dauern die Schiffsreisen wegen der Knappheit an Containern doppelt so lange. Auf einige Lieferungen wartet Benecke Coffee seit zwei Monaten. Allein dieses Transportproblem sorgt bereits für Knappheit. Bei „einigen bestimmten Kaffeesorten“ erwartet Händler Darboven leere Plätze in den Verkaufsregalen, bei Markenware hingegen noch nicht.

Kaffeebauern müssen immer höher anbauen

Einen wachsenden Anteil in den Regalen nimmt mittlerweile Fairtrade-Kaffee ein. Wegen der um sechs Prozent gestiegenen Verkaufsmenge hat das Nachhaltigkeitssiegel nun einen Marktanteil von fünf Prozent beim Kaffee im deutschen Lebensmitteleinzelhandel – etwa bei Rewe, Edeka oder Aldi. Tchibo ist der größte Händler für Fairtrade-Kaffee in Deutschland.

Doch auch in der Organisation werden Preissteigerungen erwartet. „Die Verkaufspreise werden weiter steigen“, sagt Dieter Overath, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender von Fairtrade Deutschland. Der Klimawandel habe den Kaffeeanbau schon getroffen – mit der Folge geringerer Ernten. Die Bauern müssten in immer höheren Lagen ihre Kaffeepflanzen anbauen, um ihre Ernteerträge abzusichern.

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Die Befürchtung des Fairtrade-Vorstandschefs ist es, dass die Bauern aufgrund geringerer Ernteerträge deutlich weniger Rohkaffee verkaufen können. Der höhere Börsenpreis dürfte dann diesen Ausfall kaum ausgleichen. „Unsere Prämie hilft den Bauern als Ausgleich, um ihre Ernteverluste zu kompensieren“, sagt Overath. Kaffeeplantagen, die nach den Standards von Fairtrade anbauen und arbeiten, erhalten für jedes verkaufte Pfund Rohkaffee eine Prämie von 20 US-Cent (18 Euro-Cent).

Dieses Geld ist zweckgebunden und muss zum Beispiel in den Ausbau einer nachhaltigen Produktion investiert werden. Hinzu kommt beim Anbau von Bio-Kaffee mit speziellen Anforderungen ein weiterer Aufschlag von 30 US-Cents. Ohnehin garantiert Fairtrade einen Mindestpreis von 1,40 Dollar je Pfund Rohkaffee – was nun gerade vom Börsenpreis deutlich übertroffen wird.

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Der weitaus größte Profiteur im Kaffeeverkauf in Deutschland ist der Staat. Exakt 2,19 Euro kassiert der Bund für ein Kilogramm an Kaffeesteuer. Gut eine Milliarde Euro waren es im vergangenen Jahr. Außer hierzulande gibt es eine derartige Steuer in Europa nur noch in Belgien, Litauen, Dänemark, Norwegen und der Schweiz.

Von den deutschen Kaffeehändlern über die Kaffeeröster bis hin zu Organisationen wie Fairtrade kommt seit Jahren Protest gegen die Abgabe. Gescheitert sind sie bislang stets am Bundesfinanzministerium.

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