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Wednesday, August 18, 2021

Geldpolitik: Notenbanken steuern um - Handelsblatt

Frankfurt Das Notenbanker-Treffen in Jackson Hole war schon häufiger Schauplatz historischer Entscheidungen. So reiste zum Beispiel der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, 2014 in die Kleinstadt in den Rocky Mountains, um den baldigen Beginn massiver Anleihekäufe in Aussicht zu stellen. Im vergangenen Jahr skizzierte der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Jerome Powell, auf der virtuell tagenden Konferenz die neue Strategie der Notenbank.

Und so sind auch in diesem Jahr die Erwartungen hoch, wenn sich die führenden Notenbanker in der kommenden Woche von Donnerstag bis Samstag treffen. Anders als in den Vorjahren wird kein führender Vertreter der EZB teilnehmen. Der Kreis beschränkt sich auf US-Vertreter. Von ihnen erhoffen sich Investoren Signale zum Ausstieg der Fed aus der lockeren Geldpolitik. Das entscheidende Wort lautet Tapering – was für ein Herunterfahren der Anleihekäufe steht. 

Viele Länder haben in diesem Jahr bereits einen Richtungswechsel in der Geldpolitik vollzogen. Die kanadische Notenbank begann im April damit, ihre Anleihekäufe zu reduzieren. Australien will im September folgen. Andere Länder wie Brasilien, Russland, Mexiko, Tschechien oder Ungarn sind sogar noch weiter: Dort haben die Notenbanken bereits die Zinsen angehoben. Damit sind sie der Fed und der EZB zwei Schritte voraus. Vor allem die Fed könnte aber bald ebenfalls ihren Kurs anpassen.

Darauf zumindest deuten jüngste Äußerungen von Notenbankern in dieser Woche hin, etwa vom Chef der regionalen Fed von Boston, Eric Rosengren. Er sagte der britischen „Financial Times“, dass er es unterstützen würde, wenn die Notenbank im September ankündigt, ihre monatlichen Anleihekäufe von 120 Milliarden Dollar ab Herbst zu reduzieren. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll der Fed-Sitzung Ende Juli sehen die Vertreter der Notenbank das eigene Inflationsziel inzwischen als erreicht an.

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Auch das Beschäftigungsziel könnte aus ihrer Sicht dieses Jahr erreicht werden. Noch sei dies aber nicht der Fall. Eine Mehrheit der Mitglieder war demnach der Meinung, dass man noch in diesem Jahr mit dem Tapering beginnen sollte. Ökonomen erwarten eine formelle Tapering-Ankündigung ebenfalls noch in diesem Jahr. Ein Schritt von großer Bedeutung angesichts der zentralen Rolle, die der US-Kapitalmarkt für die weltweiten Finanzströme spielt.

„Wir gehen von einer Straffung der globalen Finanzierungsbedingungen aus. Das wird vor allem für Schwellenländer eine Herausforderung“, sagt Kamakshya Trivedi, Leiter des weltweiten Zins- und Devisenresearch bei der US-Investmentbank Goldman Sachs. Zuletzt haben starke US-Arbeitsmarktzahlen die Tapering-Debatte angeheizt. Und die amerikanische Inflation blieb im Juli mit 5,4 Prozent im Jahresvergleich auf Rekordniveau. Der Beschäftigungszuwachs übertraf die Erwartungen deutlich. Die US-Chefvolkswirtin der Ratingagentur S&P, Beth Ann Bovino, sieht dadurch die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Fed bereits in Jackson Hole ein Tapering ankündigt.

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James Knightley, Ökonom der niederländischen Großbank ING, rechnet ebenfalls mit einem Zeichen in diese Richtung. „Wir vermuten, dass die Fed-Vertreter in Jackson Hole damit beginnen werden, die Grundlagen für Tapering zu legen“, schreibt er. Die formelle Ankündigung werde dann wahrscheinlich im Dezember erfolgen.

Goldman-Experte Trivedi hält den Termin in Jackson Hole dagegen für noch zu früh, um konkrete Signale zu senden. Auch er rechnet aber mit einer Ankündigung der Fed im vierten Quartal, dass sie ab Anfang 2022 ihre Anleihekäufe schrittweise reduziert. „Aus der Erfahrung heraus wird sich der Ausstieg dann voraussichtlich über ein Jahr hinziehen“, sagt Trivedi. 

Mit ihren Anleihekäufen beeinflusst die Fed vor allem die langfristigen Zinsen. Sie haben aber auch einen Signaleffekt für die kurzfristigen Leitzinsen. Solange die Fed noch zusätzliche Anleihen kauft, gilt eine Erhöhung der Leitzinsen als sehr unwahrscheinlich.

Trivedi rechnet damit, dass die US-Anleiherenditen im Zuge des Taperings steigen werden. Seit ihrem Hoch Ende März sind die nominalen Renditen deutlich gefallen. Für die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen erwartet er bis Jahresende ein Niveau von 1,5 bis 1,6 Prozent. Aktuell notiert sie bei unter 1,3 Prozent. Aus seiner Sicht wäre das ein eher langsamer Anstieg, mit dem die meisten Schwellenländer klarkämen.

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Dort hat sich bei vielen Akteuren das Trauma aus dem Jahr 2013 eingebrannt. Als der damalige Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, ein früheres Auslaufen der Anleihekäufe in Aussicht stellte, löste er das sogenannte „Taper-Tantrum“ aus – eine Art Wutanfall der Märkte. Anleger verkauften Anleihen – und die Renditen schossen in die Höhe. Darunter litten besonders die Schwellenländer. Viele US-Investoren zogen schlagartig ihr Kapital von dort ab, weil sie zu Hause wieder höhere Renditen bekamen.

Der Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands (IIF), Robin Brooks, sieht jetzt eine ähnliche Gefahr. Viele hätten angesichts des Rückgangs der US-Anleiherenditen das Risiko eines erneuten Taper-Tantrums bereits abgeschrieben. Die Entwicklung der Kapitalströme in den Schwellenländern sei aber besorgniserregend, warnte Brooks jüngst auf Twitter. Laut aktuellen Daten des IIF sind allein im Juli 10,5 Milliarden Dollar aus den Aktienmärkten der Schwellenländer abgeflossen. Insgesamt waren die Portfolioflüsse dorthin nur noch leicht positiv, wegen stärkerer Zuflüsse in die Anleihe- und Schuldmärkte.

Schwellenländer heben bereits die Zinsen an

Die Sorge vor einer Wiederholung des Taper-Tantrums gilt als einer der wichtigsten Gründe, weshalb die Notenbanken in vielen Schwellenländern bereits jetzt die Zinsen angehoben haben. In Brasilien beispielsweise erhöhten die Währungshüter in diesem Jahr die Zinsen bereits viermal. Anfang des Jahres lag der Leitzins noch bei 2,25 Prozent – inzwischen sind es 5,25 Prozent. Ähnlich ist die Lage in Russland, wo der Leitzins seit Jahresbeginn in vier Schritten von 4,25 auf 6,5 Prozent angehoben wurde. In Ungarn gab es zwei Zinsschritte, von 0,6 auf inzwischen 1,2 Prozent.

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Das höhere Zinsniveau wirkt Kapitalabflüssen entgegen. Goldman-Experte Trivedi hält dies für sinnvoll. „Damit beugen sie einem Renditeanstieg in den USA vor.“ Zudem verweist er darauf, dass die Inflationserwartungen in den Schwellenländern wegen zum Teil starker Preisschübe in der Vergangenheit weniger stark verankert seien als in den USA oder Europa. „Daher besteht die Gefahr, dass die Inflation eine stärkere Eigendynamik entfaltet, selbst wenn sie nur vorübergehender Natur ist.“ Trivedi geht davon aus, dass bald weitere Länder dem Beispiel folgen. „Wir erwarten, dass die Zinserhöhungszyklen in nächster Zeit in Kolumbien, Südkorea und möglicherweise auch in Polen beginnen, nachdem Brasilien, Russland, Tschechien und Ungarn bereits angezogen haben.“

Rätselraten um die EZB

Viele Schwellenländer sind also längst dabei, die Zinsen anzuheben. Australien und Kanada haben begonnen, ihre Anleihekäufe zu reduzieren, die USA befassen sich ebenfalls mit dem Thema. Bleibt die Frage, wie es um die Europäische Zentralbank steht. Auch innerhalb des EZB-Rats gibt es Stimmen, die auf ein baldiges Auslaufen des Krisenprogramms Pepp drängen, das speziell für die Corona-Pandemie geschaffen wurde.

Pepp beläuft sich auf 1,85 Billionen Euro und ist bis Ende März 2022 befristet. Daneben läuft parallel das klassische Anleihekaufprogramm APP mit monatlichen Käufen von 20 Milliarden Euro. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat sich bereits für ein baldiges Ende von Pepp ausgesprochen.

Andere Ratsmitglieder wie der Gouverneur der Banca d’Italia, Ignazio Visco, wollen dagegen die aktuelle ultralockere Linie möglichst lange beibehalten. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat betont, dass es aus ihrer Sicht noch zu früh sei, um über einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik zu sprechen.

Eine Option wäre, dass die EZB das Pepp-Programm im März 2022 auslaufen lässt und danach lediglich die APP-Käufe von 20 Milliarden Euro monatlich weiterführt. Eine andere Option liefe darauf hinaus, das APP-Programm nach Auslaufen von Pepp aufzustocken. Eine Entscheidung könnte sich aber noch hinziehen.

Zeitweise rechneten viele Experten damit bereits auf der EZB-Ratssitzung im September. Dort stellt die Notenbank neue Prognosen zur Inflations- und Wachstumsentwicklung im Euro-Raum vor. Außerdem entscheidet sie über das Tempo ihrer Anleihekäufe im kommenden Quartal. Inzwischen ist eine baldige Entscheidung über die Zukunft der Anleihekäufe aber unwahrscheinlicher geworden. Wegen der neuen Unsicherheit über den Pandemieverlauf durch die Delta-Variante könnten Lagarde und ihre Kollegen noch zögern. Und selbst wenn die EZB bald eine Entscheidung trifft, sind viele andere Länder schon deutlich weiter.

Mehr: Es ist Zeit für eine Wende in der amerikanischen Geldpolitik

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